Bei Trendfolge ist Robustheit einer Optimierung überlegen

Update im Januar 2015

Trendfolgende Strategien funktionierten für das Markt-Timing in der Krise 2008 und in der Erholung 2009 sehr gut. In den Folgejahren schienen die Systeme wegen politischer Börsen zu versagen. Blindes Vertrauen in optimierte und komplexe Systeme bringt Gefahren mit sich. Wir sind überzeugt, dass robustere Trendfolge-Ansätze dauerhaft einen Mehrwert bieten. Robustheit wird durch die richtigen Annahmen und die Einordnung von Trends erreicht. Dabei schauen wir neben der Berechnungsmethode auf Kapitalflüsse und insbesondere auf Verhaltensmuster im Markt.

Trendfolgende Ansätze hatten das Krisenjahr 2008 sehr gut überstanden und damit die Investoren gegen die großen Verluste am Aktienmarkt oder in anderen Risiko-Anlageklassen geschützt. Einige Strategien lieferten sogar positive Jahresrenditen. Als dann in 2009 diese Strategien auch noch von der Erholungsbewegung profitieren konnten, gab es kaum noch Anleger, die nicht vom Trendfolge-Ansatz überzeugt waren. Just in den Folgejahren 2010 bis 2013, speziell in 2010 und 2011, schienen die Trendfolge- und Markt-Timing-Fonds ihren Glanz verloren zu haben. „Politische“ Börsen werden von vielen Marktteilnehmern verantwortlich gemacht. Hiermit sollen die Unsicherheit über die Eurozone und die damit einhergehenden rasanten politischen Entscheidungen gemeint sein, die ein kurzfristiges Auf und Ab an den Börsen verursachten. Gleichzeitig machten akademische Studien und solche von viel beachteten Marktteilnehmer die Runde. Hierin wurden die deutlichen Vorteile von Trendfolge-Systemen aufgezeigt. Besonders für Momentum-Strategien war das Zusammenspiel aus Rendite, Risiko und Konstanz über Jahrzehnte derart überzeugend, dass der Investment-Stil noch mehr Aufmerksamkeit erfuhr. Denkbar ist dazu, dass smarte Marktteilnehmer folgend den Herdentrieb an wichtigen Marken antizipierten, um zu ihren Gunsten auszunutzen, so dass bestimmte Trend-Systeme ihre Stärke verloren. Welche Einflussfaktoren auch immer dazu führten, dass es diese Investment-Strategien in den letzten Jahren schwer hatten, ist zweitrangig. Wenn es darum geht, durch Trendfolge von den großen Marktbewegungen langfristig zu profitieren, sind wir überzeugt, dass dies nach wie vor gelingen kann. Dazu zeigen wir ein Trendfolge-Modell, das Robustheit durch Treffen der richtigen Annahmen und Einordnung von Trends erreicht.

 

Verbreitete Timing-Strategie

Um aufzuzeigen, wo die Probleme bei Trendfolgern lagen und zukünftig liegen können, schauen wir ein konkretes Beispiel an. Eine einfache, verbreitet eingesetzte Strategie ist das Markt-Timing nach der 200-Tage-Linie. Wir werden sehen, dass sich diese Strategie noch verhältnismäßig wacker hielt. Optimierte Systeme, die sehr viele Indikatoren nutzen oder generell ein sehr komplexes Geflecht an Abhängigkeiten, Adjustierungen und impliziten Annahmen aufweisen, hatten meist mehr Probleme in den letzten Jahren, bis hin zu deutlich negativen Renditen.

Bei der 200-Tage-Strategie ist man so lange im Aktienmarkt investiert wie der Schlusskurs eines ausgewählten Index oberhalb des 200-Tage-Durchschnitts notiert. Als Index hält der S&P 500 stellvertretend für den breiten Aktienmarkt her. Diese einfache Trendfolge-Strategie lieferte eine Rendite von 7,6% p.a. über die letzten 20 Kalenderjahre und übertraf damit den Index leicht. Die angesprochenen Jahre 2008 und 2009, für die der Index ein Minus von zusammen 24% auswies, überstand die Strategie mit einem Plus von 14% sehr gut. In den zwei Folgejahren sah es dann aber umgekehrt aus. Während sich der Markt mit +13% weiter erholte, hätte man mit der 200-Tage-Strategie 2% verloren. Seit 2008 gab es zudem kein Jahr mehr in dem eine Überrendite gegen den Markt erzielt wurde. Dennoch konnten die gewählten 200 Tage als Input-Parameter schon deutlich besser abschneiden als bspw. die gleiche Strategie mit den ebenfalls beliebten 40 Tagen. In Jahren mit negativer Indexentwicklung, erzielte die Strategie eine signifikante Überrendite von durchschnittlich 7%. Hervorzuheben sind die drei negativsten Einzeljahre des Index. In diesen verlor die Strategie lediglich 0,8% gegenüber einer Marktentwicklung, die ein jährliches Minus deutlich unterhalb von -20% auswies. Das ist erstaunlich und auch eines der Hauptkriterien, nach denen Investoren suchen – in schlechten Jahren deutliche Absicherung gegen die negativen Marktrenditen. Die 200-Tage-Strategie schaffte es zudem in den drei besten Index-Jahren mit dem Markt zu laufen. Insgesamt also sehr gute Merkmale für die extremen Phasen. Da gibt es aber noch die anderen 15 Jahre, die „normalen“ Jahre, in denen im Schnitt 6% Rendite p.a. gegenüber einem passiven Kauf des Marktes eingebüßt wurde.

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Chart 1: Im oberen Teil sind die Jahresrenditen des S&P 500 in aufsteigender Reihenfolge dargestellt. Daneben ist die Rendite der einfachen 200-Tage-Strategie abgebildet. Im unteren Teil ist die durchschnittliche Outperformance p.a. der Strategie gegenüber dem Index in Abhängigkeit der aufsteigenden Jahresrenditen aufgezeigt. Diese Überrendite wandelt sich kontinuierlich zu einer Unterrendite im Bereich der höchsten Marktrenditen. Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen

Die Frage ist nun, ob man den funktionierenden Abwärtsschutz für die extrem negativen Jahre nicht erhalten kann, ohne die Rendite in den normalen Jahren einzubüßen. Die Indikation dafür ist gut. Scheinbar hat die Trendfolge-Strategie in den Minus-Jahren „versagt“, die kein sehr großes Ungemach bereiteten. Der höchste Jahresverlust für einen passiven Anleger wären rund -10% gewesen und der Durchschnitt lag bei weniger als -5%. Keine besonders herben Verluste für Investoren am Aktienmarkt. Nicht alleine auf Grund dieser Beobachtung sind wir der Überzeugung, dass man auf besondere Schutzmaßnahmen für solche Zwischentiefs verzichten kann. Diese Phasen akzeptieren Aktien-Investoren und überstehen sie in der Regel sehr gut. Zudem gibt es andere Wege und Instrumente solche Zwischenverluste zu verringern.

Das Ziel sollte klar geworden sein. In den besonders schlechten Perioden soll nur ein möglichst geringer Weg bergab zusammen mit dem Markt gegangen werden oder eine Aufholung der Verluste soll möglichst rasch erfolgen. Man möchte einen möglichst langen Zeitraum im Markt investiert sein.

 

Robustheit statt Optimierung

Die Idee hinter der Trendfolge für das Markt-Timing ist nicht, einem möglichst perfekten Indikator(-System) zu folgen oder gar blind zu vertrauen, selbst wenn dies jahrelang erfolgreich war. Die 200-Tage-Linie mag als solch ein Indikator betrachtet werden. Vielmehr muss im Vordergrund der Gedanke stehen, die großen Marktbewegungen richtig einzuschätzen. Dabei ist es kein Widerspruch und schon gar kein Argument gegen Trendfolge an sich, wenn bestimmte Indikatoren oder ganze Systeme (zeitweise) versagen.

Wir vertrauen nicht blind auf ein komplexes System, sondern passen ein recht einfaches Trend-Konzept an, so dass es die bekannten Probleme von Trendfolgern, wie Sägezahn-Kosten und zu späte Markteinstiege, weitestgehend vermeidet. Das Modell soll robuster sein und durch eine längere Gesamtzeit im Markt sollen die Überrenditen aus den Extremjahren über die normalen Jahren hinweg stärker erhalten bleiben.

Trendfolge halten wir als Entscheidungsgrundlage für ein Markt-Timing legitim gegenüber volkswirtschaftlichen oder fundamentalen Modellen. In diesen Modellen fehlen oft Informationen oder externe Faktoren werden nicht berücksichtigt. Zudem wird meist nur eine faire Bewertung bestimmt und die aktuelle Abweichung zu dieser aufgezeigt. Fehlbewertungen können erfahrungsgemäß lange anhalten, insbesondere da deren Bestimmung subjektiv ist. Das Ziel einer Aktienmarkt-Allokation ist Rendite zu erzielen und diese hängt zuallererst nun einmal von der Bewegung der Aktienmärkte ab. Daher bleiben wir nächstmöglich am Preis zur Timing-Bestimmung, immer im Wissen, dass Trendfolge niemals den perfekten Ein- oder Ausstieg findet.

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Chart 2: Im oberen Teil sind die Jahresrenditen des S&P 500 in aufsteigender Reihenfolge dar-gestellt. Daneben ist die Rendite des robusten Trend-Modells abgebildet. Im unteren Teil ist die durchschnittliche Outperformance p.a. der Strategie gegenüber dem Index in Abhängigkeit der aufsteigenden Jahresrenditen auf-gezeigt. Diese Überrendite nimmt ebenfalls mit steigenden Markt-renditen ab, aber bleibt auch bis zu den höchsten Jahresrenditen des Marktes positiv. Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen

 

Trends außerhalb der Finanzmärkte

Wir ziehen unsere Überlegungen auch aus dem täglichen Leben, in dem Trends (fast) alles bestimmen. Das Wetter, die steigende Lebenserwartung und die Bewegung von Tieren in Herden sind nur einige Beispiele. Gleichzeitig übernehmen wir die Erkenntnis, dass Trends keine perfekte Vorhersage sind, sondern sogar Gegentrends entweder auf einer kürzeren Zeitebene oder innerhalb einer Menge existieren können. Auf die genannten Beispiele übertragen, bedeutet dies kalte Regentage im Sommer, die Lebenserwartung eines einzelnen kann durch Unfälle verkürzt und die einer großen Gruppe durch Epidemien verringert werden. Herden stehen die meiste Zeit ungleich verteilt auf einer Weide und bewegen sich nur für kurze Zeit über einen weiten Weg in gleicher Richtung. Diese Überlegungen liegen zu Grunde, wenn das einfache Trend-Konzept durch Beobachtungen zu Verhaltensmustern und Kapitalflüssen angepasst wird oder eine Gegenbewegung als natürliches Ereignis antizipativ einfließt.

Durch diese Anpassungen erhalten wir ein robustes Trend-Modell, das länger im Markt ist wenn eine zeitnahe Erholung ansteht bzw. früher wieder in den Markt einsteigt und generell mehr Ruhe mitbringt, da verhältnismäßig kleine Abwärtsbewegungen nicht immer automatisch als Marktausstieg gewertet werden.

 

Ergebnisse

In einigen Fällen über den 21-Jahreszeitraum ist die maximale Verlustbewegung beim robusten Modell höher als bei der 200-Tage-Strategie, wird aber auch schnell wieder aufgeholt. Diese Aufholung dauerte beim robusten Modell 237 Tage, während der Anleger bei der 200-Tage-Strategie rund viermal so lange auf die schwarze Null hätte warten müssen. Insgesamt ist das robuste Trend-Modell in negativen Index-Jahren klar besser als der Markt. Hinzu kommt, dass es auch in den positiven Jahren eine leichte Outperformance generieren kann. Genauso wie die 200-Tage-Strategie auch, werden die drei schlechtesten und die drei besten Jahre richtig antizipiert. In den „normalen“ Jahren, also denen die nicht zu diesen sechs Extremjahren gehören, wird der Unterschied klar. Hier wird eine leichte Überrendite erzielt, ganz im Gegenteil zur 200-Tage-Strategie.

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Tabelle: Der S&P 500 wird im Vergleich zu der simplen 200-Tage-Strategie und dem robusten Trend-Modell dargestellt. Insbesondere die Kennzahlen, die mit Risiko assoziiert werden, sind bei dem robusten Ansatz deutlich überlegen, vor allem wenn man die Risikobewertung als Zusammenspiel von mehreren Parametern versteht. Die zwei rechten Spalten zeigen die Ergebnisse für beide Strategien, wenn konsequenterweise bei negativer Signallage ein Short-Exposure zum Markt aufgebaut wird. Dies soll der Illustration der Signal-Güte dienen. Vereinfachende Annahmen, keine hypothetischen Kosten enthalten. Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen

Für die angesprochenen Jahre 2008 und 2009 hätte das robuste Trend-Modell mit +12,5% etwas weniger Rendite geliefert als die 200-Tage-Strategie, aber immer noch weitaus mehr als der Markt. Entscheidend ist, dass über die Jahre 2010 und 2011 ein Plus von 42% zu Buche gestanden hätte, während der Markt bei +13% lag und die 200-Tage-Strategie sogar ein Minusvorzeichen anzeigte.

Nicht als Anwendungsfall, sondern lediglich um die Signal-Qualität zu beurteilen, werden die beiden Modelle als Long-Short-Strategien verglichen. Wenn nun ein Signal zum Marktausstieg durch das jeweilige Modell generiert wird, wird die Markt-Partizipation umgedreht. D.h. von negativen Marktrenditen wird profitiert. Was bei der 200-Tage-Strategie passiert ist interessant. Die Gesamtrendite sinkt, die Volatilität erhöht sich und der maximale Verlust steigt. Das zeigt genau das Problem, auf das wir zu Beginn hingewiesen haben. Offensichtlich findet das Verlassen des Marktes zu früh statt, der Einstieg findet zu spät statt oder zwischenzeitlich wäre es hilfreich gewesen im Markt auf der Long-Seite investiert zu sein. Man sieht also durch die Betrachtung inklusive Short-Seite nochmals deutlich, dass Chancen ausgelassen werden. Beim robusten Trend-Modell hingegen verbessert sich die Gesamtrendite mit Positionierung auf der Short-Seite. Die Volatilität steigt allerdings an und vor allem der maximale Verlust ist deutlich höher. Interpretiert man diese Ergebnisse, so kann man davon ausgehen, dass man mit dem Timing durch das robuste Modell recht gut liegt, da man sowohl auf der Long- und Short-Seite positive Renditen produziert und die Marktrendite deutlich übertrifft. Zudem sinkt die Anzahl der negativen Jahre von fünf auf drei. Dies wird allerdings bei der Short-Seite auf Kosten schlechterer Risikokennzahlen erreicht. Eine Verbesserung könnte eintreten mit häufigeren Wechseln der Marktpositionierung, was aber explizit nicht gewollt ist. Wir suchen ja nach einer robusten Lösung für die großen Marktbewegungen.

 

Fazit

Die sehr klaren Aufwärts- und Abwärtsphasen werden von den meisten Trendfolge-Systemen gut erkannt. In den vielen Jahren dazwischen werden viele der Strategien jedoch durch kleine Bewegungen und Richtungsänderungen zu früh aus dem Markt geworfen, machen teure Sägezahn-Phasen durch oder steigen deutlich zu spät wieder in den Markt ein. Das kann die positiven Eigenschaften für den Investor zunichtemachen. Das robuste Trend-Modell bietet demgegenüber einen klaren Mehrwert. Durch die geringere Anzahl an Markteinstiegen und -ausstiegen in Kombination mit mehr Zeit im Markt, kommt so Ruhe in ein Portfolio. Damit kann das vorgestellte Trend-Modell auch als reines Overlay dienen, dass den eingesetzten Strategien mehr Luft zum Atmen lässt und explizite wie auch implizite Absicherungskosten senkt.

 

Update: Dieser Text wurde im März 2014 verfasst und veröffentlicht. In der vorliegenden Version wurden die Tabellen, Charts und der Text lediglich um die Zahlen für 2014 erweitert. Die Wertentwicklungen in 2014 betrugen für den S&P 500 und das Robuste Trend-Modell (auch in der Long/Short-Version) jeweils 11,39%, für die 200-Tage-Strategie 8,53% (Long/Short: 5,67%).